«Es handelt sich um einen historischen Bruch.»

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Der Westen diskutiert nun über neue Sanktionen gegen Russland. Wie müssten diese aussehen, damit Russland seinen militärischen Kurs ändert?

Gemäss Forschung bewirken Sanktionen nur eine Politikänderung, wenn sie einen Einfluss auf die Koalitionen und Machtverhältnisse im sanktionierten Land haben. Man kann also davon ausgehen, dass Putin seinen Kurs nur ändern würde, wenn Sanktionen die Führungselite im Kreml spalten. Das ist sehr unwahrscheinlich, denn der innere Zirkel um Putin dürfte bereits jetzt resistent gegen Sanktionen sein und könnte sogar von ihnen profitieren. Kurzfristig sind Sanktionen als wichtiges politisches Signal zu sehen. Mittel- bis langfristig können ökonomische, finanzielle und technologische Sanktionen die russische Wirtschaft, den Staatshaushalt, die Rüstungsindustrie und damit auch die Armee aber sehr wohl schwächen. Dass sich Putin dadurch abschrecken lässt, wage ich aber zu bezweifeln.

Wird es beim Krieg in der Ukraine bleiben?

Durch unbeabsichtigte Zwischenfälle an der Grenze zu Nachbarstaaten können auch andere Länder in den Konflikt hineingezogen werden. Ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass die Kampfhandlungen auf die Ukraine beschränkt bleiben. Die Auswirkungen des Konflikts gehen aber natürlich weit über die Ukraine hinaus und betreffen uns alle.

Welche diplomatischen Möglichkeiten sehen Sie aktuell?

Aktuell beschränkt sich Diplomatie auf einseitige Erklärungen, Pressekonferenzen und eben Sanktionen. Obwohl direkte hochrangige Treffen zwischen Russland, der Ukraine und dem Westen in der jetzigen Situation undenkbar sind, sollten die Kommunikationskanäle offenbleiben, um ein Mindestmass an Vorhersehbarkeit zu gewährleisten. Ein Ausschluss Russlands aus der UNO oder der OSZE wäre nicht zielführend.

Welche Auswirkungen hat die Invasion auf die europäische Sicherheit?

Es handelt sich um einen historischen Bruch: Nationale Grenzen einseitig und durch militärische Mittel zu verschieben und Territorium zu annektieren widerspricht fundamental der europäischen Nachkriegsordnung. Nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 wird dieses Prinzip nun erneut von Russland gebrochen. Die Legitimation westlicher Interventionen, wie etwa im Kosovo oder im Irak, war zwar auch umstritten, doch Putins Angriff entbehrt jeglicher Grundlage. Es bleibt abzuwarten, ob Konflikte in Europa in Zukunft wieder vermehrt machtpolitisch und militärisch gelöst werden. Sicher ist aber, dass es zu einer Aufwertung militärischer Fähigkeiten in Europa kommen wird. Europa kann sich dabei in Zukunft noch weniger auf die USA verlassen, deren sicherheitspolitischer Fokus längerfristig auf China liegt. Der Druck auf Europa, die eigene Verteidigungsfähigkeit zu stärken, wird weiter wachsen.

Benno Zogg ist Senior Researcher am Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich. Er leitet das Team für schweizerische und euroatlantische Sicherheit.



  • Datum: Sat, 26 Feb 2022 14:00:02 +0000

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